Sie entwerfen Foto-Sets, viele Kunden aus dieser Branche ziehen heute aber Renderings den eigens im Studio produzierten Aufnahmen vor. Stirbt Ihr Berufsstand aus?
Peter Fehrentz: Nein. Die Frage liegt nahe, aber geht von falschen Voraussetzungen aus. Ein ideales Bild muss zwar technisch perfekt, aber immer auch mit geschultem Blick gestaltet sein. Die Branche wird immer Menschen brauchen, die ästhetisches Gefühl für ein gelungenes Set-Design entwickeln können, das zudem alle geforderten Stylingdetails berücksichtigt. Mein Job in der Welt der Computer Generated Imagery (CGI) ist das Kuratieren: Ich briefe den CGI-Artisten, betreue alle kreativen und gestalterischen Gesichtspunkte, besonders die Lichtführung. Ein animiertes Bild fordert von mir alle Kompetenzen gleichzeitig ab: Ich entwerfe, gestalte, inszeniere, setze das Licht und korrigiere das Ergebnis. Diese Fähigkeiten zu vereinen, ist mein Alleinstellungsmerkmal in der Branche.
Was hat sich durch CGI konkret verändert?
Nichts und alles. Nichts, weil es immer noch Situationen gibt, in denen das Fotografieren einzelner Möbelstücke an einem realen Ort die beste Lösung ist. Und alles, weil CGI alle Grenzen sprengt. Früher, in der analogen Zeit, haben wir für Wohnzeitschriften große Themen in einem eigenen Fotostudio ausgearbeitet. Das Team bestand aus einem Innenarchitekten, einem Stylisten und einem Fotografen. Das war aufwändig und langwierig. Heute sind wir mobiler. Sie wollen Ihre Möbel in einem Loft in Hong Kong präsentieren, aber nicht hinfahren? Kein Problem.
Dann bedeuten Bilder, die am Rechner stehen, das Ende der Fotografie?
Nein, aber richtig ist, dass sich die Fotografie demokratisiert hat. Eine Ausbildung alleine macht heute noch keinen Fotografen. Das war früher so, als die analoge Technik so kompliziert war, dass diejenigen das Monopol hatten, die sie sich leisten und sie bedienen konnten. Ich weine der analogen Fotografie keine Träne nach. Aber ich bin ungeheuer froh, als Designer analog ausgebildet worden zu sein. Ich glaube, dass die Fähigkeit zum räumlichen Denken, meine Vorstellungskraft und das Gespür für die Inszenierung aus dieser Zeit stammen. Für junge Fotografen ist es deshalb heute manchmal schwerer, in diesem Bereich Fuß zu fassen.
Sie arbeiten projektweise mit 747 Studios zusammen. Wie sieht diese Zusammenarbeit aus?
Am Beispiel der Firma Hülsta kann man sehen, wie sehr CGI ein Bedürfnis bedient, das schon immer da war. Hülsta baut unter anderem große Kastenmöbel. Wenn das Unternehmen eine Fotoproduktion machen möchte, die ihre Neuheiten darstellt, ist es mit der Produktentwicklung oft noch gar nicht so weit. Dann erstelle ich eine perspektivische Raumanmutung als Handskizze. Ich baue Collagen mit Fotos von Möbelentwürfen, definiere Farben und Requisiten. Dieses Moodboard geht dann an den Kunden zur Freigabe. Dann gebe ich eine Maßzeichnung an die CGI-Artisten. Die bauen über den Schritt eines Greyshading den Raum plastisch nach, alle Elemente die dort stattfinden sind schon angelegt, es gibt eine erste Lichtführung. Nur Oberflächen und Materialien fehlen noch. In diesem Stadium können wir am Rechner die Perspektiven schnell verändern, weil auch die Renderzeiten noch gering sind.
Wie arbeiten Designer und Computerprofi zusammen und wie verändert diese Beziehung Ihre Arbeit?
Ich stehe mit dem jeweiligen CGI-Artisten im ständigen Austausch. Er legt einen Entwurf an, ich korrigiere das Bild so lange, bis ich es gut finde und dem Kunden zeigen möchte. Der trägt dann seine Korrekturen ein. Manchmal ergeben sich so zwei, drei Abstimmungsrunden. CGI ist ein Entwicklungsprozess für mich, wieder einmal, es werden weitere kommen. Neu ist für mich, dass ich zusammen mit meinem Gegenüber am Rechner jetzt auch Surreales mit CGI gestalten kann – wenn es der Job erfordert. Die Wirklichkeit nachzubilden ist schon spannend für mich. Aber besonders interessant finde ich die Frage, wie ich Wirklichkeit auf die nächste Ebene heben kann. Mit analogen Mitteln stoße ich da an Grenzen, die der Computer gar nicht kennt.
Wie grenzen Sie sich als Designer persönlich ab auf dem Markt?
Die meisten Leute, die auf CGI spezialisiert sind, kommen aus einem technischen Bereich, sie setzen zum Beispiel Autos in Szene. Rar hingegen sind Leute, die sich auf Interieur-Themen spezialisiert haben. Meine Fähigkeit besteht unter anderem darin, weiche Materialien zu inszenieren, Lebendigkeit in einen Raum zu bekommen, mit Chrom und Lack eine spürbare Atmosphäre zu kreieren. Die Arbeit mit CGI fordert diese Fähigkeiten stark ab. Nicht nur muss die Architektur toll sein, das Licht, das Set, es geht gerade auch darum, das Perfekte wieder zu zerstören. Abnutzung zu erstellen, ein Streifen an der Wand zu platzieren, eine Fußleiste ein winziges Stück zu verrücken – das macht das Bild lebendig.
Sie blicken auf einige Erfahrung im Set Design zurück. Wie wird sich das Geschäftsmodell in den kommenden Jahren ändern?
Das Analoge und die digitale Bearbeitung werden beide überleben. Neu ist die Art zu arbeiten. Früher habe ich am Stück gearbeitet, ein Projekt begonnen, inszeniert, fotografiert, abgeschlossen. Beim Arbeiten mit CGI-Methoden ist nur die Entwurfsphase ähnlich geblieben. Dann beginnt ein längerer und kleinteiliger Abstimmungsprozess zwischen dem CGI-Artisten und mir. Ich bin dabei wie ein Regisseur, der dem Kameramann auf die Linse guckt. Interessant ist, dass ich dieses prozesshafte Beobachten und Korrigieren von überall auf der Welt erledigen könnte.
Was muss man heute können, um auf dem Feld des Set Design erfolgreich zu sein?
Fotografen, die sich einen Platz auf dem Markt erobern wollen, werden es schwerer haben. Sie können ein handwerklich gutes Foto machen, ihnen fehlt aber oft die Vorstellungskraft für das Räumliche. Wer ein gutes Bild machen will, muss ein Auge fürs perfekt gestylte Interieur und die Lichtführung gleichermaßen haben. Wer beides kann, ist klar im Vorteil.
Peter Fehrentz arbeitet als Designer, Stylist, Set Designer und Fotograf für deutsche und internationale Magazine sowie Kunden aus Werbung und Möbelindustrie. Das Interview führte der Journalist Jochen Brenner.